Dr. Anton Webern

Originell sein ist nicht schwer. Sei Du selbst. Es ist gut, sich an diese Binsenweisheit des gesunden Menschenverstandes zu erinnern, wenn es um Webern geht.

Die einen erklärten ihn zum Verrückten, die anderen nannten ihn den Anführer des Moderne, und wieder andere waren ihm ergeben wie einem Monarchen und „erhoben" ihn zu ihrem Vorfahren. Alle blendete das Neue, Innovative. Und wenige - außerhalb der Neuen Wiener Schule - verstanden, daß wirkliche Erneuerer aus Konservativen hervorgehen.

Viele Musiker, die Webern verehrten wurden letzlich nicht zu bedeutenden Komponisten, weil sie zu sehr auf den an seine Person gebundenen Stil fixiert waren, statt seine Lehren wirklich zu verstehen. Много музыкантов, ткачи уважаемый стали letzlich не к значительным композиторам, так как они были фиксированы слишком очень на привязанный к его(ее) личности(лицу) стиль вместо того, чтобы понимать его(ее) обучение(теории) действительно. Viele Verehrer Weberns wurden auch zu keinen vollwertigen Schöpfern, weil vor ihnen der an die Person gebundene Stil stand, aber nicht die Methode.  Много почитателей Weberns не стали также к полноценным создателям, так как перед ними привязанный к личности(лицу) стиль стоял(относился), но не метод. Auch Schönberg erzeugte keine Klone und lehrte nie das Imitieren  irgendeinen Stils. Er verstand es, die Studenten zu sich selbst hinzuführen, er kultivierte in ihnen etwas sehr Wichtiges, ganz Wesentliches: das, was der modernen Musik entweder mangelt oder aber ganz fehlt: Schönberg lehrte Kunst, und diese Kunst fusste auf Handwerk von höchstem Niveau. In der Harmonielehre vermittelte er seinen Schüler einen Sinn für die Logik und stilistische Einheit, enthüllte ihnen die Wichtigkeit der Tonalität, deren Reichtum zum Vorbild dafür werden sollte, was seine Schüler unter den Bedingungen der neuen atonalen Harmonie schufen. Beim Lehren der Theorie der Formen und ihrer Analyse hatte er das Ziel, dem Schüler die Qualität eines Denkers auf dem Gebiet der musikalischen Form zu verleihen.

Mir wurde das fast von der ersten Stunde meines Unterrichts bei Philip Herschkowitz an klar. Seine Erinnerungen an Berg und Webern (Herschkowitz war Schüler von beiden) hatten keineswegs Charakter von Memoiren. Er schätzte dieses Genre nie besonders, und versuchte als empfindsamer Mensch falsche Sentimentalitäten nach Möglichkeit zu vermeiden. Ich erinnere mich an einige seiner Aussagen und bestimmte Zitate von Berg und Webern, die er nie ohne konkreten Anlass hervorbrachte.

  • Der musikalische Gedanke muß extrem klar, einfach ausgedrückt werden. Etwas anderes ist es, wenn der Gedanke selbst kompliziert ist ... (Webern)
  • Die Musik Weberns ist schön, wie die Musik Mozarts; Mozart ist auch unpopulär ... (Berg)
  • Berg und Webern - das sind die Buchten jenes Meeres, das Schönberg heißt (Herschkowitz)
  • Es gab keine Unterrichtsstunde, in der Webern Schönberg nicht erwähnt hätte (Herschkowitz)

Ich begriff, daß der Ausgangspunkt für Webern stets eine Idee Schönbergs war, von der aus man dann in seinen Überlegungen weitergehen konnte.

  • Was auch immer Webern tat, er tat es äußerst ernst (Herschkowitz)

Ich erinnere mich an die Geschichte, als einmal jemand in Weberns Anwesenheit sagte, daß es „in der Periode drei Sätze" gäbe. Webern war so erzürnt, daß er in seiner starken Erregung einfach keine Worte fand. In seinem Bewusstsein hätte es nie einen Zweifel daran gegeben, daß das Wesen der Periodenform, das Prinzip der Periode (Schönberg würde sagen ihre „Schulform") darin besteht, daß sie zwei Sätze, zwei Kadenzen umfasst; These und Antithese. Eine Periode ist eine Frage, eine Problemstellung: Wer ist wer? Zwei Kadenzen ergeben die Wahl: Welche von ihnen ist die Tonika ? Und welche die Dominante?

Ich halte den Text eines Briefs von Webern in Händen.

 

Filip Herscovici,

der nun schon seit einer Reihe von Jahren bei mir Komposition studierte, sei hiemit auf das wärmste empfohlen.

Mit allem Nachdruck sei festgestellt, daß ich ihn von allem Anfang an für eine hervorragende kompositorische Begabung gehalten habe und auch sein Können ganz besonders einschätzen muß.

Ich bin überzeugt, daß von seinen Fähigkeiten - auf welchem musikalischen Gebiet immer - insbesondere aber auf kompositorischem und theoretischem (also auch auf den Gebiet der Lehrtätigkeit und Forschung) Außerordentliches zu erwarten ist.

So kann ich nur wünschen, daß Filip Herscovici möglichste Förderung zu Teil werde.

 

Dr. Anton Webern

Maria Enzersdorf bei Wien

Im Auholz Nr. 8

 

Dieser Brief wurde offenbar am Tag ihrer letzten Begegnung geschrieben. Für Herschkowitz war es schon lange höchste Zeit Österreich zu verlassen, doch erst im Jahr 1938 ergab sich endlich eine Möglichkeit zur Flucht. Was hat Webern damals wohl gefühlt ? ... Er weiss, daß er seinem Schüler nicht helfen kann. Darfür gibt er ihm etwas mit auf den Weg und wie immer spricht er auch hier davon, wofür er lebt - von der Musik. Und so schreibt er diesen Empfehlungsbrief .... Doch an wen? Und wohin? Wer hätte ihn denn in Rumänien oder der Sowjetunion schon kennen sollen? Er war damals 55, und es wäre lächerlich zu sagen, daß er populär oder international bekannt war. Und da ist dieser Brief, der sich an alle und niemanden im Besonderen richtete... Ist es dann, allgemein gesagt, nicht ganz egal, was man da schreibt?

Nein, Webern ist ein anderer Typ Mensch, ein anderes Format von Musiker. Er lebt Geschichte, und darum bleibt er sich stets selbst treu (und „was auch immer er tat", „er tat es äußerst ernst"). Er schreibt eine glänzende und sinnlose Empfehlung, die Herschkowitz erst nach seinem Tod „nützen" können wird. (Ich habe diesen Text in die posthume Ausgabe der theoretischen Arbeiten Herschkowitz's aufgenommen.)

Im Jahr 1938 aber war Herschkowitz 32 Jahre alt, und noch nichts deutete darauf hin, wovon Webern schreibt. Ich denke, daß auch im Jahr 1990 wohl niemand seinen Namen unter diese Worte gesetzt hätte. Das Buch aus dem Jahre 1990 war tatsächlich die erste (!) Publikation seiner Arbeiten in Russland.

Noch im Jahr 1938 hat Webern diesen Brief unterschrieben! ... Aber es ist es wirklich so verwunderlich, daß er sich als prophetisch erwies?

 

Leonid Hoffman